Der "Römerweg" war kein Weg der Römer
(veröffentlich im Bürgerfreund 28 März 1991)
Neueste Feststellung des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg - Außenstelle Karlsruhe

Hinter Langenbrand führt die Bundesstraße Richtung Salmbach – Pforzheim. Erreicht der Autofahrer das Waldgebiet, zweigt die Landstraße rechts ab und verläuft in geschwungener Trassenführung weiter nach Kapfenhardt. Hohe Nadelwälder folgen beidseits der Straße und nach etwa 400 m will ein Wegweiser mit der Beschriftung "Römerweg" rechts in den dunklen Wald führen. Ein Römerweg?

Tatsächlich, der interessierte Heimatfreund steigt aus, folgt dem Wegzeiger und betritt den schmalen Waldweg. Büsche und Tannen stellen sich ihm in den Weg. Feuchte Gräser und nasser Boden bringen den Fußgänger auf den abfallenden Pfad leicht ins Rutschen. Plötzlich erkennt der "Forscher" vor sich große, dicht an dicht gefügte Sandsteinplatten auf einer Breite von ca 2,5 – 3,5 m. Auf den Platten findet man nebeneinanderherlaufende Rillen, 10 –20 cm breit, in einem Abstand von ungefähr 1,15 m und einer Tiefe bis zu 24 cm.

Dieser Plattenweg zieht sich hangabwärts auf einer Länge von rund 270 m bis zur Talsohle des Eulenlochs hin. Die Tiefe der eingefahrenen Rillen nimmt allmählich ab, bis dieselben nach dem Auslaufen der Gefällestrecke auf dem Pflaster vollends verschwinden.

Was sagen die Forscher über den angeblichen Weg der alten Römer?

Von K.F. Stähle sind auf der Siedlungskarte der römischen Zeit in "Urgeschichte des Enzgebiets", Stand 1923, alle gesicherten und vermuteten Straßen bzw. römischen Wege eingetragen. Zu der wichtigen römischen Siedlung von Portus (Pforzheim) läuft das Wegenetz konzentrisch dorthin zusammen - mit Ausnahme dem Gebiet zwischen der östlichen Enz und der westlichen Würm. Eine vermutete Streckenführung von Sumelocenna (Rottenburg) nach Pforzheim über Oberjesingen-Stammheim-Calw-Hisau-und nagoldabwärts bricht ab. Auf der Enz-Nagold-Platte unseres Gebiets sind diesbezüglich keinerlei Erkenntnisse und Eintragungen römischer Wege für den Schömberger Raum zu vermerken.

Prof. Dr. Rolf Nierhaus vom ,,Seminar für Alte Geschichte der Universität Freiburg" schreibt am 20.6.68 in einem Briefwechsel über die Römerstraße im Eulenloch: ,,Was den besonders interessierenden Straßenzug von Pforzheim nach Calw über Büchenbronn-Salmbach usw. anbelangt, wird Ihnen schon mein Aufsatz klar gemacht haben, daß jener Straßenzug unter keinen Umständen römisch ist."

Auch Oberlehrer Hanspeter Zehner hat sich in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Nierhaus und anderen Wissenschaftlern in den Jahren um 1968 wieder eingehend mit der erneuten Erforschung des ,,Römerweges" befaßt. Durch Studium der alten Forstlagerkarten aus dem 18. Jahrhundert, durch eigene Vermessung der bestehenden Wegführung, durch Querschnittsgrabungen und aufgrund vieler Interviews ältester Schömberger und Langenbrander Bürger muß er am 20.2.1970 an das Staatliche Amt für Denkmalpflege in Tübingen resignierend feststellen: ,,Von diesem Zeitpunkt wußte ich, daß es kein Römerweg war."

Obwohl die überholte Behauptung vom Bestehen des Römerwegs immer wieder aufflackert, hat Oberschulrat a.D. Emil Göltenboth sich letztmals 1986 in dem Heimatheft ,,Langenbrand auf der Enz-Nagold-Platte" dieses Thema wieder neu aufgegriffen. Er kommt abschließend zu der bisherigen Erkenntnis, daß die Pflasterung nicht römischen Ursprungs sein kann, aber eine gewissenhafte und endgültige Aussage noch offensteht.

Der Fragenkomplex bringt uns vielleicht durch den Heimatforscher Hptl. Friedrich Schick ein Stückchen weiter. Was sagt seine ,,Ortschronik von Schömberg" über den angeblichen ,,Römerweg" aus? Eigentlich nichts, aber. . . Hauptlehrer Friedrich Schick hat von 1925 bis 1939 die Vergangenheit Schömbergs intensiv erforscht und niedergeschrieben. In seinem Abschnitt über die Erd- und Landschaftsgeschichte berichtet Fr. Schick über den geologischen Aufbau unseres Gebiets und im einzelnen über das Neuenbürger Ganggebiet, (Erzabbau) die Gewinnung von Flußspat bei Grunbach und schließlich über das ,,Gute Wasser" unterhalb Kapfenhardts im ,,Guten Brunnen". (5. 38 - 41) Schon 1721 urkundlich des hervorragenden Heilwassers wegen gelobt, läßt es sich der Chronist Fr. Schick nicht nehmen, im Jahr 1929 das Wasser auf Gehalt der Mineralstoffe und Spurenelemente untersuchen zu lassen. Auf seine wiederholten Exkursionen zum Kapfenhardter Brunnen - sicherlich durch das Eulenloch, unmittelbar neben dem ,,Römerweg" - sollte Fr. Schick nicht aufmerksam geworden sein? Sicher wird er ihn für einen uninteressanten, nicht erwähnenswerten Holz- oder Erzabfuhrweg gehalten haben, für sonst nichts. Völlig unverständlich für ihn, nicht sonst auf den Begriff ,,Römerweg" im Eulenloch in seiner Chronik ausgelassen, nicht eingegangen zu sein. Ganz bestimmt, auf einen so geschichtsträchtigen gepflasterten Weg hätten Alt-Schömberger innerhalb Schick's 14-jähriger Chronistentätigkeit nicht versäumt, ihn darauf hinzuweisen? Betont er doch ausdrücklich: ,,Besonderen Wert legte ich auch auf mündliche Überlieferungen, die ich im Verkehr mit den alten Leuten, den Ältesten im Dorf, zu erforschen mich bemühte." (S.4)

Kann neueres Kartenmaterial jüngste Erkenntnisse über die ausführliche römische Straßen- und Wegeführung unseres Raumes etwas aussagen?

Die umfassendste Sammlung im ,,Historischer Atlas von Baden-Württemberg", im Jahr 1978/79 herausgegeben von der kompetenten ,,Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg", könnte auf zwei Karten Neues ergeben.

Auf Blatt III.4 der Kartensammlung ,,Die römische Besiedlung" (1 - 3. Jahrhundert n.Chr.) ist das Gebiet der Enz-Nagold-Platte als weißer Fleck zu erkennen, keine neuen Erkenntnisse, kein ,,Römerweg"!

Auf Blatt III.3 ist detailliert eingezeichnet ,,Die militärische Besitznahme durch die Römer und das zugeordnete Wege- und Straßensystem von 19 vor Chr. bis zum 3.Jh. n.Chr." Eine Straßenführung Pforzheim-Salmbach-Eulenloch-Schömberg-Calw erweckt auch keinerlei Hoffnung auf einen erhofften ,,Römerweg".

Das Gefälle des Römerweges

Den Verlauf und die Länge des sogenannten Römerweges hat Oberlehrer Zehner im Okt./Nov. 1968 genauestens vermessen. Dicht der Straße Langenbrand-Kapfenhardt bei der Marke 267m beginnt der Plattenweg, erstreckt sich in weiten Schwingungen bergabwärts und läuft bei der Marke Null am unteren Rand der vermessenen Skizze aus. Auf dieser Strecke wurde neuerdings das Gefälle gemessen. Mit Hilfe von 32 Meßpunkten wurden insgesamt 31.37m Höhendifferenz festgehalten. Das ergibt für diesen Weg ein durchschnittliches Gefälle von rund 12 %. Der Überschaubarkeit wegen wurden nur einige Meßpunkte mit Gefälleangabe eingetragen. Zu Anfang der Vermessung neben der Landstraße weist der Plattenweg noch das geringste Gefälle aus, da von Grunbach herführend der alte Waldweg selbst mit wenig Gefälle auf die Landstraße stößt. Hinter der halben Wegstrecke fällt das Gefälle auf 20,4 % ab, hier das steilste Teilstück.

Wer auch immer den Weg mit einem stabilen Wagen befahren mußte, lief Gefahr, in eine unkontrollierbare Schußfahrt zu geraten. Die Fuhrleute begannen zuerst ,,miggen" (bremsen), um Zugtiere mit Wagen und Fracht sicher zu Tal zu bringen. Die Vorstellung, ein robuster Wagen, von vier Ochsen gezogen, beladen mit über 30 Zentnern Erzbrocken, mußte bergabwärts, machte klar, daß die ,,Migge" (Bremse) nicht ausreichte. Mit Sperrketten wurden die Hinterräder festgekettet oder ,,Radschuhe" aus Eisen zusätzlich unter den Rädern befestigt. So rutschten die Räder über die Buntsandsteinplatten und hinterließen Bremsspuren. Kein Wunder, daß so im Laufe vieler Jahrzehnten Bremsrillen bis zu einer Tiefe von 24 cm entstanden sind.

So mag im Eulenloch der sogenannte Römerweg für Generationen Fuhrleute durch das starke Gefälle eine Gefahr für Menschen, Tiere und Fuhrwerke bestanden haben.

Man kann endlich einen Strich unter den ,,Römerweg" ziehen! Verantwortungsbewußte Heimatforscher und Wissenschaftler haben wiederholt auf die Unmöglichkeit einer Straßenführung der Römer auf der Enz-Nagold-Platte, im besonderen im Schömberger Eulenloch, hingewiesen. Diese Auffassung wird von zuständiger Stelle neuerdings voll und ganz unterstützt. Vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg Außenstelle Karlsruhe wurde das Gebiet erstmals in Augenschein genommen. Dr. D. Lutz, zuständiger Wissenschaftler obiger Dienststelle, schreibt nach Begehung des zur Debatte stehenden Weges: ,,Meines Erachtens handelt es sich unzweifelhaft um eine spätmittelalterliche bis frühneuzeitliche Wegführung, wobei der von Ihnen angenommene Erztransport sicher eine wichtige Rolle gespielt haben dürfte. Dies um so mehr, als auch im Bereich Schömberg Erzabbau für diese Zeit nachgewiesen ist. Auf alle Fälle kann eine Entstehung des Weges in der Römerzeit ausgeschlossen werden."

Ernst Güse
Den Heimatfreunden in Salmbach ist zu danken daß dieser Weg wieder freigelegt wurde und heute so gut sichtbar ist,